The American Way of Life – Teil 2
Aufgrund der gestern zahlreich zurückgelegten Kilometer und des heute erstmals schlechten Wetters lege ich mal einen Tag Pause ein und widme mich noch einmal den Besonderheiten des amerikanischen Alltags.
Da ich in meinem Appartment ja eine kleine Küchenzeile habe, koche ich an den Abenden erstaunlich viel selbst. Daher statte ich fast täglich den hiesigen Supermärkten (vor allen Dingen dem direkt an meinem Hotel gelegenen Publix) einen Besuch ab.
Im Gegensatz zu den wirklich immens großen Walmart- und Walmgreen-Märkten hier ist der lokale Publix-Markt noch vergleichsweise klein – aber immer noch deutlich größer als ein real oder Marktkauf bei uns. Zudem sind die Regale um einiges höher als bei uns, was die Auswahl noch einmal deutlich vergrößert. Alle Märkte, die ich bislang besucht habe, waren unglaublich gut sortiert und machten einen fantastischen Eindruck. Sehr viele Mitarbeiter der Märkte sind damit beschäftigt, die Regale in einem makellosen Zustand zu halten. Die Obst-, Gemüse- und Frischfleisch-Theken hier habe ich in der Qualität in Deutschland noch nicht erlebt. Darüber hinaus gibt es eine sehr große Auswahl an Bio-Produkten und z. B. vegetarischen oder veganen Lebensmitteln.
Das einzige Klischee, welches man sehr schnell als bestätigt bezeichnen muss, sind die Verpackungsgrößen. Das Shampoo welches ich in Deutschland bereits seit einigen Jahren nutze, gibt es hier nur in einer mindestens doppelt so großen Einheit. Viele dieser XXL-Größen finde ich einfach nur unpraktisch. Das Gleiche gilt natürlich auch für viele Lebensmittel. Die Pizzen werden – wie bei uns die neuesten LCD-TVs – in Zoll angegeben und passen gefühlt nicht in einen heimischen Backofen.
Ach ja, ein häufig genanntes Klischee im Hinblick auf die Amerikaner muss ich übrigens auch als völlig haltlos entkräften: die Qualität und Auswahl von Bier ist hier unglaublich gut. Neben vielen internationalen Marken werden auch sehr gute lokale Biere angeboten. Das obige Foto zeigt übrigens „nur“ das Bierregal in einem relativ kleinen Supermarkt, der noch über einen getrennten Getränkemarkt verfügt – in dem nochmal mehr Auswahl auf den Kunden wartet. Kistenbier wie bei uns in Deutschland gibt es übrigens hier nicht. Entweder kauft man Bier in Sixpacks oder in fest verschlossenen Pappkartons mit bis zu 20 Dosen darin – gut zu sehen im obigen Bild. Deutsche Biersorten gibt es, bis auf Beck’s und St. Pauli Girl(!), übrigens überraschend wenig. Dafür gibt es hier unter anderem das exklusiv in den USA gebraute und in einer edlen schwarzen Flasche abgefüllte Beck’s Sapphire.
Hat man alle Einkäufe in seinem Wagen oder Korb zusammen, geht es, wie in Deutschland, an die Kasse. Allerdings warten an amerikanischen Supermarktkassen zwischen zwei und vier Mitarbeiter auf den zahlenden Kunden. Im Normalfall kassiert ein Mitarbeiter und ein weiterer verpackt derweil die Einkäufe in extrem reißfeste Plastiktüten oder auf Wunsch auch in Papiertüten. Zu Stoßzeiten packen auch mal zwei Mitarbeiter gleichzeitig die Waren ein. Die Funktion des optional vierten Mitarbeiter hat sich mir bislang noch nicht erschlossen 😉 Bei einem üblichen Haushaltseinkauf kommen hier in den USA übrigens schätzungsweise fünf bis zehn Einkaufstüten zusammen…
Beim Bezahlen, welches entweder bar oder per Kreditkarte erledigt wird, schlägt einem dann die amerikanische Freundlichkeit mit aller Wucht ins Gesicht 😉 „I wish you a very wonderful and sunny day, my friend“ ist da noch eine harmlose Variante der Verabschiedung. Wagt man es, VOR dem Verkäufer ein „I wish you a nice day“ zu äußern, folgt mindestens ein „No, my friend! I wish YOU an even more beautiful day! Take care of you!“
Natürlich wirkt das alles auf den ersten Blick etwas übertrieben. Und selbstverständlich ist der Kassierer auch zum Kunden danach mindestens genauso freundlich. Trotzdem spürt man hier zwischen den Höflichkeitsfloskeln eine sehr positive Grundeinstellung. Schaut man mal bewusst auf sein Gegenüber, merkt man, dass da durchaus eine ernst gemeinte Freundlichkeit dahinter steckt. Diese wird nur manchmal von den (in Geschäften sicherlich häufig auferlegten) Floskeln etwas konterkariert. Begegnet man im Supermarkt zwischen zwei Regalen einem Amerikaner, entschuldigt der sich mit Sicherheit dafür, dass er einem „im Weg steht“. Lässt man eine Dame mit Kind an der Kasse den Vortritt, begleitet diese einen noch bis zum Auto mit umschmeichelnden Danksagungen… Der zeitliche Vorteil für sie ist damit dahin 😉
Wörtlich nehmen sollte man hier übrigens generell nicht alles (besser: wenig), was einem gegenüber geäußert wird. Ich habe das für mich mal dass „How are you?“-Dilemma genannt. Als wohl erzogener Deutscher (nein, ich rede nicht zwingend von mir) ist man es ja gewohnt, auf eine Frage höflich und korrekt zu antworten. Auf die allgemeine Begrüßungsfloskel „How are you?“ habe ich das zunächst auch getan – und nur entgeisterte Blicke geerntet. „How are you?“ heißt hier nichts anderes als „Hallo“ oder „Guten Tag“ – das weiß ich 😉 Trotzdem fühlt es sich als Deutscher komisch an, auf diese Frage z. B, nur mit der Gegenfrage „How are YOU?“ zu antworten. Man hat ständig das Gefühl, seinem Gegenüber seinen aktuellen Gemütszustand näher zu bringen – dabei wollte der einen nur freundlich grüßen. Inzwischen habe ich mir ein freundliches „Fine. How are you?“ angewöhnt und komme mir schon fast wie ein Amerikaner vor 😉
Da ich mich schon wieder der 1000-Wort-Marke in diesem Beitrag nähere, möchte ich schnell noch eine Besonderheit hier beschreiben, die ich sehr sinnvoll finde. Als ich vor einigen Tagen morgens mein Frühstück gegoogelt habe (ja, hier gibt es seltsame Dinge – wie z. B. Grits), ploppte auf meinem lautlos gestellten Handy plötzlich eine von einem unglaublich lauten Warnton begleitete Meldung auf. Vom Inhalt der Meldung erst einmal etwas geschockt (ein Kind wurde in einem etwa 100 Meilen entfernten Ort entführt), habe ich mich dann schlau gemacht. Da ich mir im Vorfeld meiner USA-Reise eine amerikanische SIM-Karte mit amerikanischer Nummer bestellt habe, bekomme ich auf meinem Handy die hiesigen „Cell Broadcasts“ – Warnmeldungen, die an alle Mobiltelefone versendet werden, welche diesen Dienst nicht gezielt abgeschaltet haben. Über diesen Informationskanal werden neben den eben erwähnten Amber-Warnungen (benannt nach einem in den 90er-Jahren in Texas entführten Mädchen) auch Warnungen zu Hurrikanen oder anderen Bedrohungen an die Bevölkerung versendet. Ich muss sagen, dass ich diese Art der Informationspolitik, sofern sie nicht übertrieben oft genutzt wird, sehr sinnvoll finde. Wie kann man besser die gesamte Bevölkerung über dringende Sachverhalte informieren? In Deutschland wurde der Dienst von einigen Mobilfunkanbietern als News-Dienst getestet, aber schnell wieder eingestellt. Schade – ich glaube, das amerikanische Modell macht Sinn!
Morgen werde ich vermutlich der San Carlos Bay in Fort Myers einen Besuch abstatten und einen entspannten Tag in einem der dortigen Naturparks verbringen. Denn: Für Samstag und Sonntag habe ich einen ganz besonderen Trip geplant. Ich werde für zwei Tage und Nächte die Region hier verlassen und Key West besuchen. Laut Ernest Hemingway ist Key West der schönste Ort der Welt. Ich lasse mich gerne überraschen 😉